Unsere Rinder und ich

In den letzten Wochen habe ich mich wieder vermehrt mit unserer Tierhaltung auseinandergesetzt. Aufgrund der anstehenden Schlachtung der einjährigen männlichen Tiere Noel und Silvestre und der 3 Jahre alten nicht fruchtbaren Kuh (also eigentlich Rind… )Blanca und dem Verkauf von Kala und Chresteli (beide 12 Monate alt) stellten sich mir Fragen über Sinn und Unsinn der Tierhaltung beim Gmüeser.

Eins vorweg, dem Einwand, dass Nutztierhaltung ethisch fragwürdig ist, kann ich durchaus zustimmen. Für mich stellt sich dann sogleich die Frage, inwiefern wir als Menschen hier Verantwortung haben und wie wir mit dieser Verantwortung umzugehen gedenken.

Unsere heutig gängigen Nutztierarten wie Schweine, Kühe, Hühner und Schafe sind seit Jahrtausenden Begleiter von uns Menschen. Wir haben uns in Gemeinschaft mit ihnen entwickelt. Die Entwicklungen der letzten 50 Jahre haben es dem Menschen ermöglicht in der Zucht der Tiere immer weitere, vermeintliche Fortschritte zu erzielen, die alleine unserer Profitmaximierung dienten. Die genetische Vielfalt ist dadurch in Bedrängnis geraten. Haltungsformen haben sich vom natürlichen Verhalten der Tiere immer mehr entfernt. Die Fütterung der Tiere wurde immer stärker in Abhängigkeit von Nahrungsmitteln, die auch dem Menschen zur Verfügung stehen würden, geführt.

Unser behorntes Rätisches Grauvieh ist ein kleines, leichtes, robustes und langlebiges Zweinutzungsrind. Es kann als Wiederkäuer im Gegensatz zu uns Menschen Raufutter wie Heu und Gras optimal in Milch und Fleisch umsetzen. Die Tiere benötigen daher kein Futter, welches auch Menschen zur Verfügung stehen würde, und verursachen kaum Landschäden.

Dauergrünland, das nicht umgebrochen werden darf, oder umgewandelt werden kann, weil zu feucht, trocken oder zu steil, kann von Kühen genutzt werden. Unsere Schweizer Kulturlandschaft ist massgeblich davon geprägt. Die Kuh steigert mit ihrem Dung die Humusgehalte im Boden, düngt die Flächen und führt dazu, dass der ökologische Betrieb in sich tragfähig wird. Mit ihrem vom Menschen aufbereiteten Dung (Mist, Gülle) ermöglichen uns die Kühe den Anbau pflanzlicher Genüsse (Gemüse, Getreide etc.) und erhöhen deren Qualität.

Nicht auf das ob, sondern auf das wie kommt es daher an. Die industrielle Tierhaltung und Schlachtung sind einer Gesellschaft wie der unseren nicht würdig. Das Tier ist dem Menschen gänzlich anvertraut. Diese Verbindung spüre ich jeden Tag, wenn ich morgens um halb 7 den Stall betrete. Es ist eine Freude und gleichzeitig eine Belastung, diese Verantwortung in den Blicken, in den Bewegungen der Tiere zu erkennen. Mit einer Berührung zu spüren, wie das Tier sich fühlt, wie es reagiert. Im Moment, in dem du in seine Wahrnehmung trittst, wartet es gespannt auf deine Bewegungen, auf das was du tust oder unterlässt. Das verpflichtet. Ich bin bestrebt jedem Tier als Individuum (inkl. Namen) mit Bedürfnissen, Ängsten und auch kleinen Macken zu begegnen. Dabei muss es immer wissen, dass es sich auf mich verlassen kann. Dass ich klar bin in dem, was ich von ihm will oder was ich nicht will. Dies ist eine grosse Herausforderung, aber ein zentrales Argument in den Bemühungen, den Tieren ihre Würde zurückzugeben.

Und dann kommt der Tag, an dem die Tiere den Stall verlassen müssen. Gründe dazu gibt es mehrere. Unser Stall ist zu klein, um mehr Tiere beherbergen zu können. Wenn die Kälber mit etwa 10, 11 Monaten mit dem Milchtrinken bei den Müttern aufhören, stellt sich die Frage, was nun mit ihnen geschehen soll. Für männliche Jungrinder gibt es die Möglichkeit der Schlachtung oder des Verkaufs auf einen anderen Betrieb zwecks ‚Mästens’ und der anschliessenden Schlachtung. Weibliche Tiere können, wenn man sich bemüht und man Rassenzucht betreibt, an Züchter verkauft werden. Nur ist es schwierig, 12 Monate alte Tiere zu verkaufen, da sie noch nicht trächtig sind und der aufnehmende Betrieb genügend Platz braucht, um die Tiere getrennt von einem Stier zu halten.

Ein Transport bleibt den Jungrindern auf unserem Betrieb in keinem Fall erspart. Wir sind nicht in der Lage eine zweite Gruppe von Tieren zu halten, die sich abseits des Stieres aufhalten. Unsere Weidebasis lässt aufgrund der fehlenden Arrondierung auch kaum einen höheren Tierbestand zu. Und der Transport ist ein Problem! Das Verladen der Tiere ist für sie ungewohnt. Sie kennen es nicht. Sie wissen nicht warum sie da hinein sollen. Fremde Menschen sind da. Alle wollen etwas. Man soll sich gefälligst bewegen. Der Tierhalter ist nervös, auch für ihn ist es eine nicht alltägliche Situation. Ist er da noch in der Lage, die Würde des Tieres zu beachten?

Gibt es Alternativen? Das Gewöhnen der Tiere an einen Wagen wäre eine Möglichkeit. Auch die Schlachtung der Tiere auf der Weide wäre etwas. Ist es auch der gänzliche Verzicht auf Nutztierhaltung?

Wenn ich nach einem ‚freien Sonntag’ am Montag wieder in Stall komme, dann freue ich mich auf die Tiere. Wenn Kroki auf mich zustürmt, wenn Corina mit ihren Hörnern versucht, ihre Freude über mein Erscheinen mit ihrer Ängstlichkeit unter einen Hut zu bringen, dann ist das etwas Wunderbares!

Für mich bilden Nutztiere und Menschen eine Gemeinschaft, und es liegt alleine in unserer Verantwortung, dass sie auch in Würde leben können!

***

Thomas

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7 Antworten

  1. Hoi Thomas, mit grossem Interesse und ebensolcher Freude hab auch ich deinen Bericht gelesen. Tolle Bilder die sehr viel aussagen, die Augen und die Körpersprache eures Grauviehs sprechen für sich. Gra hat mir heute gesagt, dass Martina die Aufnahmen gemacht hat. Deine Beziehung zu deinen / euren Tieren gefällt mir besonders. Genauso, dass alle einen Namen haben! So sollte es sein. Was für ein naiver Satz. Mit den besten Wünschen für dich und Martina sowie euren Betrieb der Unterstützung, Respekt und Beachtung verdient. Liebe Grüsse Gisela

  2. Tut richtig gut, das zu lesen, DANKE! Und die Idee, möglichst auch unbekanntere Stücke der Rinder zu verwerten, verdient Erfolg: ich werde bestellen!
    Frage: Kennst du Stefan Schürmann aus Altwis? Er züchtet auch Grauvieh und macht schon in 2. Generation Bio. Wir kauften bisher unser Fleisch bei ihm…liegt halt gäbig nah. Ihr würdet zusammen passen, auch politisch!
    Bis bald! Benno

  3. Hallo Thomas, war gestern an der GV ein nicht nur sonniger sondern auch interessanter Tag mit anschliessender Hofbegehung. Der Erfolg beweist das ihr auf dem richtigen Weg sind, Respekt an eurer Vision und alles Gute wünscht Andreas aus dem Oberaargau.

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